It’s a match – Onlinedating, Spruchbildbeantworter und Pressefreiheit

Hot or Not – das ist die Frage. Onlinedating-Portale revolutionieren sich beinahe selbst. Vom klassischen Profil eines sozialen Netzwerks bis hin zur Entscheidung nach einem schnellen Blick auf ein Bild. Aber wie bekomme ich möglichst viele Likes, Nachrichten oder Liebhaber_innen? Das Netz bietet mehr als genug Anleitungen zum besseren (?) Ich. Und danach? Was tun mit zwölf verschiedenen potenziellen Dates? Geht es uns dabei wirklich immer um die andere Person oder eher um Selbstbestätigung? Sind mehr Likes besser? Wie kommerzialisieren wir die Liebe und unser gesellschaftliches Zusammenleben? Wir haben uns mit euch Gedanken gemacht, diskutiert und philosophiert. Der Versuch einer Zusammenfassung vom Digsal.

Im #netbeat reloaded findet ihr wie immer die besten Links der Woche. Kuratiert von den Kooperateur_innen für euch: das Beste aus Netzpolitik, Kultur, Medien, digitaler Bildung, Politik und Zeitgeschichte. Wir feiern die lang ersehnte Schöpfung des Spruchbildbeantworters und die allerallererste Oculus Rift. Ein Roboter, der quasi in Nullkommanix zum Nazi wurde und die Reaktion auf die Reaktion: Wie Extra3 nach ihrem viralen Hit „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ auf die Antwort des türkischen Herrschers reagiert. 

 

 

INHALT

It’s a match

How to: erfolgreiches Onlinedating

„It’s like real life, but better“: Onlinedating in der Diskussion

 

#netbeat_reloaded

Gegen Timelinesüßis: Spruchbilderbeantworter

@TayTweets: rassistische, künstliche Intelligenz

Oculus Rift: die erste Virtual Reality Brille ist da

Extra3 vs. Erdogan

 

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Quelle: Flickr (CC BY 2.0)

How to: erfolgreiches Onlinedating

von Caroline Böhme

Im Netz stapeln sich Bastelanleitungen um sich selbst so darzustellen, dass Mr. oder Miss Right aufmerksam werden. Vor allem Redakteur_innen in Frauenzeitschriften zerbrechen sich die Köpfe über das perfekte Profil, die Verwendung von Smilies in Nachrichten und raten für das bestmögliche Foto (liebe Herren, bloß kein Oben-ohne-Selfie vorm Badezimmerspiegel!) auch schon mal zur Verwendung von Selfie Sticks. Schicke bunte und wissenschaftlich fundierte Infografiken dazu gibts bei Wired.

Neben Fotos und Hobbys wiegen scheinbar auch die Berufe der Kandidaten bei der Auswahl schwer. Tinder, kürzlich noch für die Nutzung eines geheimen Attrativitäts-Scores kritisiert, hat nun eine Liste an Berufen veröffentlicht, die am ehesten zum nach-rechts-Wischen animieren: Frauen fühlen sich demzufolge am ehesten zu Piloten (Überraschung!), Unternehmern und Feuerwehrmännern (Überraschung 2!) hingezogen. Männer bevorzugen Physiotherapeutinnen, Innenarchitektinnen und ebenfalls Unternehmerinnen.

 

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„It’s like real life, but better“ Onlinedating in der Diskussion. Veranstaltungsrückblick.

von Tim Holland

„Tinder is how people meet. It’s like real life, but better.“ – so wirbt einer der am stärksten wachsenden Onlinedating-Plattformen. Und damit ist genau die Frage aufgeworfen, um die sich die Diskussionen angesichts von den neuen digitalen Wegen, die die Liebe gehen kann, drehen. Also: Untergraben Onlinedating-Plattformen unsere Vorstellungen von romantischer Liebe und Heirat? Gerade einmal 200 Jahre ist es her, dass wir uns mühevoll zur Liebesheirat durchgerungen haben. Geben wir jetzt dieses Privileg schulterzuckend an die Ökonomisierung und Rationalisierung unseres Alltags zurück? Oder haben wir es „nur“ mit den altbekannten Wünschen nach Nähe und Zärtlichkeit zu tun, die verlängert in den digitalen Raum sich neu artikulieren?

In der Diskussionsrunde, die sich am Mittwoch unter dem Titel „It’s a match“ traf, wurden viele von diesen Fragen angerissen, jedoch kaum eine erschöpfend geklärt. Wie auch, das Feld der Liebe ist seit jeher schwer zu beackern. Das nun neben dem analogen Raum noch das digitale „Neuland“ hinzugekommen ist, macht die Sache nicht unbedingt übersichtlicher. Dennoch konnten Dynamiken des Beziehungsmarktes benannt werden. Zum Beispiel ist „der Teich größer geworden“, die Fische, die darin schwimmen vielzahliger – zumindest sehen wir mehr. Allein das Überangebot stellt einige schon vor Probleme, berichtete die Psychologin Miriam Junge. Zum Glück gibt es aber auch Helfer in der Not. Eric Hegmann, der „Chief Love Officer“ und Dating- und Beziehungsexperte von Parship. Und das darf man an dieser Stelle nicht vergessen, früher gab es ja auch schon Partnerbörsen. Aber eben analog. So wurde Parship im Jahr 2000 von der Holtzbrinck Gruppe aus dem seriöser wirkenden Zeitschriften- und Zeitungsannouncengeschäft entwickelt, um den neuen digitalen Markt zu besetzen. Und auch heute ist es das Unternehmen mit der 11-Minuten-Formel, das laut Selbstaussage, und im Gegensatz zur Vielzahl anderer Plattformen, mit Ernsthaftigkeit, die Bindungs- und Heiratswilligen aus den lustvoll Suchenden herausfiltert. Dabei hilft neben dem Filter der Premiummitgliedschaft von 35€/ Monat auch der 20-30 minütige Persönlichkeitstest, der online auszufüllen ist. Ganz nach dem Motto „in der Liebe ist alles möglich, aber nicht wahrscheinlich“ (Hegmann) werden dort Gemeinsamkeiten und Differenzen mit potentiellen Partner_innen ausgewertet. Hier vertraut man der algorithmischen Auswertung. In etwa: Je größer die Schnittmenge, desto glücklicher die Beziehung.

Worauf man sich verständigen konnte: online ist man selbst seine eigene Marketingagentur. Und wer sich selbst gut vermarktet, wählt für sein Interesse die richtige Flirt- Community. Der Autor Martin Schinagl hatte sich unter anderem mit der bemerkenswerten Diversifizierung des Onlinedating-Marktes auseinandergesetzt. Neben tinder und OkCupid („OkCupid is the best dating site on Earth“ und zeichnet sich wie tinder für freiere Formen von Liebe und Beziehung aus) stehen grindr („the world’s largest gay social network“), minder („the place for awesome muslims to meet“), bumble (hier müssen Frauen bei „Macht“ zuerst schreiben), 3nder („Date kinky, curious and openminded singles and couples around you.“) und viele mehr. Diese Strukturierung des Marktes unterläuft dann doch der in der Runde gerne anzitierten „Disneyfizierung“ unserer Liebesvorstellungen. Schlussendlich war man sich einig, das sich die Anbahnung im Internet zwar vereinfacht hat, jedoch wer eine Beziehung in der realen Welt eingehen möchte, doch einen mutigen Schritt daraus hervortreten muss. Beruhigend.

Ein Mitschnitt der Diskussion ist demnächst auf Seite der hiig zu sehen und wird am 17. April 2016 auf Deutschlandradio Wissen ausgestrahlt.

 

 

 

#netbeat_reloaded: Was sonst diese Woche noch los war

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Screenshot: Übermedien

Endlich tut mal jemand was! Wem haben die Stockfotos mit zusammencollagierten Lebensweisheiten nicht bereits weh getan? Übermedien reagiert auf die Zahnschmerzen verursachende Versüßung der Timelines. Der Spruchbildbeantworter nimmt sich den digitalen Plombenziehern an. TH

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Screenshot Twitter

Repeat after me, Tay. Rund 95.000 Tweets innerhalb von 12 Stunden – das klingt erstmal nach jeder Menge Arbeit fürs Community Management. Umso schlimmer, wenn in den versendeten Nachrichten eine Vielzahl an despektierlichen, rassistischen und menschenverachtenden Inhalten auftaucht. Der Microsoft Social Media Bot Tay sollte von jeglicher Voreingenommenheit seitens seines Entwicklungsteams frei sein, die Ausbildung seiner künstlichen Intelligenz ausschließlich der 18-24 jährigen Zielgruppe vorbehalten sein. Diese übernahm ohne zu zögern und versorgte Tay rasant schnell mit einem großen Umfang an zweifelhaftem Wissen. Nachdem der Computer Hitler zum Swagger erklärte und auf dem besten Weg war, sich zum personifizierten Online-Hassmob zu mausern, entschloss man sich bei Microsoft, dass die Zeit für einen Abbruch des Experimentes gekommen war. In einer offiziellen Stellungnahme bedauert der Vize-Chef Peter Lee, diese Schwäche des hauseigenen Digital-Sprosses übersehen zu haben. Dass diese Entwicklung verhindert hätte werden können, hört man zumindest aus der Community der Bot-Entwickler_innen. Ein einfacher Wortfilter hätte Microsoft wohl einiges an Ärger erspart. Der IT-Riese wollte neue Maßstäbe setzten und vertraute auf die intellektuellen und didaktischen Fähigkeiten der Crowd. Diese nutzte die Einladung, sich einen Scherz der schlechteren Sorte zu erlauben. BT

 

 

Hurra! Hurra! Die Virtual Reality – Brille ist da! Am Montag wurde sie an ihren ersten Besteller vom Entwickler höchstpersönlich ausgeliefert. Palmer Luckey, der Entwickler von Oculus Rift, war sichtlich aufgeregt, der Kunde eher verhalten. So ist das nu mal, wenn der eine sein Baby hergibt und der andere nicht weiß, was das Ding, dass seit Jahren einen riesigen Hype erfährt und er gerade für 699€ gekauft hat (in Deutschland 740€ inkl. Versand), eigentlich so wirklich kann. Das Magazin c’t hat nun das Gerät auf Herz und Nieren getestet. Für Gamer sollen noch im April die HTC Vive und im Oktober die Alternative von Sony erscheinen. Da geht’s jetzt los! TH

 

Erdogan ist schlauer als wir denken. Am 12.März titelte der Economist bereits  „A messy but necessary deal“. In den letzten Tagen ist bei vielen Journalisten dann die Hutschnur geplatzt. Wie dreckig darf’s eigentlich noch werden? Klar, das Abkommen schafft für die zentraleuropäischen Staaten derzeit eine spürbare Entlastung im Flüchtlingsstrom. Und trotzdem, was gleichzeitig innenpolitisch beim „Beitrittskandidaten“ (sic) abgeht, kann die EU doch nicht kommentarlos hinnehmen – oder etwa doch? Dass kritische Zeitungen übernommen; Journalisten, die investigativ recherchieren, vom Präsident persönlich angezeigt und Jugendliche wegen „Präsidentenbeleidigung“ belangt werden (seit Amtsantritt knapp 2.000 Verfahren), das fand bisher an offizieller deutscher Stelle keinen Widerspruch.

Nun machte das Satiremagazin Extra3 genau das: aufsummieren, wie der selbstherrliche Erdogan in letzter Zeit Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückte und das reflektierte Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich die EU befindet, austestet. Erdogan reagierte. Wahrscheinlich hätte er am liebsten seinen Chor aus Bodyguards geschickt um das, was nicht gehört werden soll, auch nicht hörbar zu machen. So dieser Tage in New York geschehen. Da das bei viralen Videos aber nicht möglich ist, ließ er den deutschen Botschafter Martin Erdmann im Präsidentenpalast antanzen. „Satire darf alles“, möchte man Tucholsky schnell herbeizitieren, eine Reaktion von Auswärtigen Amt und Bundesregierung brauchten jedoch bemerkenswert lange. Zumindest Jean Claude Juncker „begrüßt(e) es nicht, dass der deutsche Botschafter nur wegen eines satirischen Lieds einberufen wurde“.

Die Humorlosigkeit autoritärer Herrscher ist bekannt. Die Absurdität des Vorfalls, einen Vorwurf mangelnder Pressefreiheit mit Zensur beantworten zu wollen, spricht für sich. Gestern hatte Extra3 nun die Möglichkeit sich zu dem Vorfall zu äußern. Wobei Christian Ehring bereits im Vorfeld gegenüber dem Spiegel angekündigt hatte, dass sie sich nicht zu einer größeren Aufmerksamkeit gegenüber Erdogan hinreißen lassen würden. Entsprechend „routiniert“ wurde innerhalb der Sendung geantwortet (Untertitel des Videos nun auch in Türkisch). Eigentlich schade. TH

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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