Sie ist eine der Gründungsdirektorinnen des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin und zählt zu den profiliertesten Analytikerinnen des Netzes und seiner Machtverhältnisse: Jeanette Hofmann.
Als Politikwissenschaftlerin forscht Jeanette Hofmann am Wissenschaftszentrum Berlin. Ihre Themen sind unter anderem die Informationsgesellschaft und Wandel des Urheberrechts sowie das wenig erotische, aber für das WWW lebenswichtige Thema Regulierung.
2010 ist Hofmann als Sachverständige in die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft berufen worden. Sie hat aktiv am UN Weltgipfel zur Informationsgesellschaft mitgewirkt und engagiert sich seit 2006 im Folgeprozess als Mitglied der Multi-Stakeholder Advisory Group in der Organisation des Internet Governance Forums. Seit 2011 ist sie eines von vier Direktoriumsmitglieder des HIIG.
Mit ihr sprechen wir über die dünne Forschungslage zu den kontroversesten Netzthemen und versuchen zu klären, was gesicherte Erkenntnis und was Ideologie ist.
Timeline
2.50 Urheberrecht ist mit dem Internet wichtiger geworden, weil wir alle beständig kopieren. Die Bedeutung ist zwar einerseits gewachsen, aber gleichsam ist seine Steuerungsfähigkeit erschüttert worden.
5.12 Ich bin nicht gegen die Abschaffung des Urheberrechts und halte es nicht für überflüssig. Was ich in Frage stelle ist, ob es in der gegenwärtigen Form nutzbringend ist: Und zwar auch für die Urheber und die Verwerter.
8.30 Beschäftigt sich gegenwärtig mit s.g. „Low IP-Regimes“. Das sind Bereiche, in denen das Urheberrecht gar nicht steuert, wo es also nicht zur Anwendung kommt oder zumindest keine Sicherheit für die Marktteilnehmer darstellt. Ein Beispiel sind TV-Formate: Da ist das zentrale ja eigentlich die Idee, die wiederum vom Urheberrecht gar nicht geschützt wird.
11.10 Comedy oder Kochrezepte sind auch nicht geschützt. Aber diese Märkte funktionieren trotzdem.
12.00 Es gibt Konventionen unter Kreativen, die verhüten, dass alles nachgeahmt und kopiert wird. Das sind soziale Regeln unterhalb des Rechts, die das Kreative schützen. Bei Witzen gilt z.B.: Die werde als persönliches Eigentum betrachtet, das geht dann über das Urherberrecht hinaus.
14.15 Wenn es kein Urheberrecht gibt, dann schaffen Kreative selbst Regeln, wenn sie entsprechende Netzwerke haben. Es gibt keine Märkte für Kulturgüter, die vollkommen unreguliert wären.
15.41 Urheberrecht sollte derart gestaltet sein, dass es nicht nur die Rechte der Verwerter und Urheber schützt, sondern auch die der Öffentlichkeit.
18.30 Das Urheberrecht kann die Asymetrie des Marktes nicht lösen: Der Musikmarkt zum Beispiel ist ein „The winner takes it all-Markt“, in dem ein paar wenige Große Gewinne einfahren und die große Masse der Produzenten nichts gewinnt.
22.07 Es gibt in diversen Studien eine große Uneinigkeit darüber, ob illegale Downloads der Branche wirklich schaden. In den illegalen Downloads zeigt sich auch ein neues Nutzungsverhalten.
24.15 Das illegale Downloaden von Filmen wird weniger wichtig werden, wenn es Geschäftsmodelle gibt, die alle Seiten zufrieden stellen. In der Musikbranche zeichnet sich das mit Streamingdiensten bereits ab.
30.07 Hofmann zu Google-Books: Als Nutzerin und Wissenschaftlerin finde ich es großartig, digitale Versionen von v.a. verwaisten Büchern zu haben. Wir haben in dieser Frage aber eine Sackgassensituation, was die politisch-rechtliche Lösung anbelangt.
35.55 Zum Thema Unabhängigkeit der Forschung angesichts ihrer Rolle als Vorsitzende des von google finanzierten HIIG: Wir haben institutionelle Vorkehrungen getroffen, um die Qualität der Forschung zu sichern.
38.20 In der deutschen Politikwissenschaft und auch in der Kommunikationswissenschaft wird bisher relativ wenig zum Internet geforscht.
41.20 Evgeny Morozovs Blick auf das Internet abseits eines Technikdeterminismus gefällt Hofmann sehr gut, sein populistischer Ton eher weniger.
43.44 Wir haben dem Internet Fähigkeiten zugeschrieben, unsere Probleme zu lösen. Das wird es nicht tun.
49.35 Netzthemen werden im Bundestagswahlkampf nur eine geringe Rolle spielen- auch, weil die Piraten wieder marginalisierter sind.
51.11 Perspektivisch wird aber Netzpolitik als Thema weiter wichtiger werden.