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Jun

#DIY, also Do it Yourself, ist schwer angesagt. Gartenstühle aus Bauholz und Maschinenpistolenteile aus dem 3-D-Drucker zum Beispiel. Aber man kann auch Schulbücher (#OER) selber machen. Ein Crosspost und ein Einladung unserer „Werkstatt – Digitale Bildung in der Praxis„:

Alltagsbezüge, Aktualität, Verlässlichkeit, emotionale Bezüge, eigene Haltung, dynamisches Material, Baukastensysteme, Zielgruppenanalyse, Bewertungssystem, Open Source Software. Nur einige von vielen Stichworten, über die beim ersten OED-Workshop am 15. Mai in Berlin nachgedacht und diskutiert wurde. So starteten wir in den offenen Prozess der Entwicklung freier Bildungsmaterialien. Am 2. Juli findet das nächste Treffen in Berlin statt. Der Prozess ist weiterhin offen für alle Interessierten. Hier erfassen wir in Bewegtbild und Text noch einmal den Start des Entwicklungsprozesses, geben Einblicke in unsere Überlegungen und einen Ausblick, wie es nun weiter geht.

Alles was wir wissen, ist, dass wir nichts wissen – oder zumindest nicht viel. Frei nach Sokrates gesprochen, ist das eine recht präzise Beschreibung des Zustandes, mit dem wir von der Werkstatt der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) am 15. Mai 2013 den ersten Workshop zu Open Educational Development (OED) beginnen. Und wir gehen noch weiter: Wir wollen nichts wissen. Warum? Dazu unten mehr.

Wir von werkstatt.bpb haben einen Prozess ins Leben gerufen, bei dem wir nach langen Diskussionen um freie Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, kurz: OER), nun endlich etwas tun möchten – nämlich die Theorie in ihrem reinsten Grau hinten anstellen und gemeinsam mit Interessierten aus dem Bildungsbereich offene Materialien zu den Themen „Rechtsextremismus“ und „Erster Weltkrieg“ entwickeln. Der erste Workshop befasst sich mit dem Thema „Rechtsextremismus“.

Was zuvor geschah

Wie entwickeln wir? Wie steuern wir? Wie aktivieren wir? Wie sieht das Endprodukt aus? Wird es überhaupt eines geben? Fragen, auf die wir im Vorlauf zu unserem ersten Treffen keine Antworten geben konnten und wollten. Was wir wie machen, möchten wir nicht alleine bestimmen, sondern mit den Teilnehmenden erarbeiten – ein offener Prozess für offene Materialien.
Dahinter steckt eine Idee: Nur wer tatsächlich praktisch an der Erstellung freier Materialien arbeitet, kann Erkenntnisse über Schwachstellen und offene Fragen gewinnen, die der Theorie meist verborgen bleiben. Deshalb ist uns nicht nur der Prozess der Entwicklung als solcher wichtig, sondern seine umfassende Dokumentation und deren Transparenz. Wir möchten es allen Interessierten ermöglichen, Einblicke in den OED-Prozess zu erhalten, sich einzumischen und von unseren Lessons Learned zu profitieren.

Wir starteten also als Unwissende über den Prozess in den Prozess und in den ersten Workshop. Trotzdem haben wir lange Vorarbeit geleistet, um uns inhaltlich mit den Aspekten rund um OER zu beschäftigen. So gibt es beispielsweise das gemeinsame Dossier mit unserem Schwesterprojekt pb21.de, das zahlreiche Artikel zu OER beider Portale bündelt. Zum Ende des Jahres 2012 haben wir das SpeedLab „Open Education – Wem gehört die Bildung?“ veranstaltet, sind seit Langem auf thematisch relevanten Veranstaltungen unterwegs und sprechen mit Akteurinnen und Akteuren aus dem Bereich OER.

Im Vorlauf zum ersten Workshop haben wir unsere Finger wund getippt und die Telefonleitungen glühen lassen, um möglichst Viele über unser Vorhaben zu informieren. Interesse bekundeten Einige. Nur ein Teil davon, ungefähr ein Drittel, etwas mehr als 30 Personen, meldete sich dann auch zum ersten Workshop an.

Der Workshoptag

Eine bunte Mischung aus Lehrenden, außerschulischen Bildnern und Bildnerinnen, Multiplikatoren und Multiplikatorinnen, Expertinnen und Experten zum Thema „Rechtsextremismus“, Referentinnen und Referenten der bpb, Studierenden sowie weiteren Interessierten trifft sich also am 15. Mai im „Supermarkt“ im Berliner Wedding. WLAN funktioniert, Steckdosen sind ausreichend vorhanden, Mikrophone an, Etherpads (webbasierter Editor zur kollaborativen Bearbeitung von Texten) sind eingerichtet, die Kameras stehen auf Standby, die Liveschalte ins bayrische Grenzgebiet ist getestet, Verpflegung steht auf den Tischen im Hintergrund und die Moderationskarten liegen bereit. Mit unserem ersten Wort startet der Livestream, der, bis auf eine anderthalbstündige Unterbrechung während einer Gruppenphase, den ganzen Tag ins Web überträgt. Und auch die Dokumentation im Etherpad beginnt.

Vor uns, Oliver Baumann und Jaana Müller vom Team der Werkstatt, liegt das Rahmenprogramm, das wir uns für diesen Tag vorgenommen haben. Es platzt aus allen Nähten und wir müssen an die Disziplin der Teilnehmenden appellieren, damit wir nicht bis tief in die Nacht diskutieren. Zu unserer Erleichterung haben alle diese Disziplin.
Nach der Offenbarung unserer Unwissenheit über den Prozess und über seinen Ausgang sowie einer kurzen Vorstellungsrunde gibt Leonhard Dobusch, FU Berlin, eine kurze Einführung in Open Educational Resources und damit in Verbindung stehende Fragen, wie z.B. zum Urheberrecht. So soll der Wissensstand der Teilnehmenden angeglichen werden. Dobusch spricht von der Bedeutung von Open Education, von einem Kulturwandel, der unter Lehrenden stattfinden muss. Und wir fragen uns einmal mehr: Wie? Wie kann er initiiert und verwirklicht werden? Und was ist mit der Frage nach Henne und Ei? Muss es zuerst offene Materialien bzw. eine funktionierende Infrastruktur geben – also eine Art Anreiz – damit der Kulturwandel stattfindet oder ist der Kulturwandel der Erstellung von Materialien vorgelagert und bewirkt diesen? Vielleicht steht am Ende des OED-Prozess eine mögliche Antwort und wir fragen uns bald auch in diesem Zusammenhang: Was war zuerst da?

Leonhard Dobusch, FU Berlin

Dobusch geht weiterhin auf Definitionen von OER sowie deutsche und internationale Initiativen ein und stellt fest: Deutschland liegt im internationalen Vergleich zurück. Dies begründet er u.a. mit den (föderalen) Besonderheiten des deutschen Schulsystems. Eine weitere Aussage, die Dobusch selbst als Rat betitelt, gibt mir zu denken: OER sollten vor allem für den analogen Einsatz konzipiert werden. Das Digitale muss nicht in das Material einfließen, sondern kann lediglich zur Verbreitung genutzt werden. Ich ertappe mich immer wieder selber dabei, wie sich in meinem Kopf das Internet und digitale Medien ständig mit OER verknoten. Es fällt mir schwer, diese beiden Dinge getrennt voneinander zu denken.

Nach dem kurzen Vortrag folgt eine Frage- und Diskussionsrunde und zugleich entbrennt (fast) der erste Streit um Lizenzen und die Frage, ob die CC-Lizenzierung tatsächlich empfehlenswert und allgemein verständlich ist. Wir diskutieren über die Theorie um OER und sind noch nicht so richtig in der Praxis und beim Thema „Rechtsextremismus“ angekommen. Das ändert sich innerhalb des thematischen Brainstormings nach der ersten Kaffeepause ein wenig: Wie kann man das Thema „Rechtsextremismus“ erfassen? Welche Bildungsmaterialien gibt es bereits? Wie soll das OER-Endprodukt gestaltet sein? Was muss berücksichtigt werden, damit das Material als OER bezeichnet werden kann? Die möglichen Antworten sammeln wir in Stichpunkten, um später Arbeitsgruppen daraus zu formen.

Sandra Schön, L3T

Doch zuvor teilt Sandra Schön, Salzburg NewMediaLab und L3T, via Liveschalte ihre Erfahrungen aus der praktischen Erstellung von OER mit. Sie berichtet über Erkenntnisse, die sie im Rahmen verschiedenen OER-Projekte gewinnen konnte, so z.B. den l3t-Lehrbüchern und gibt Empfehlungen vor allem für die Erstellung von OER in größeren Gruppen. Und wieder folgt eine Erkenntnis: Motivation und Koordination eines gemeinsamen Erstellungsprozesses von freien Bildungsmaterialien sind von großer Bedeutsamkeit. Interesse an OER haben Viele. Vor der praktischen Arbeit an OER hingegen machen Viele Halt. Schon die Initiatoren des Schulbuch-O-Mat haben uns diese Erfahrung mitgeteilt. So bekommen wir ein wenig Angst davor, dass während der Mittagspause einfach alle gehen und kaum jemand bei der angedachten Arbeit in Gruppen mitwirkt. Wir können durchatmen: Wenige gehen, die Meisten bleiben.

Während der Workshop bislang von Phasen des Frontalen und der Diskussion geprägt war, steht nun Gruppenarbeit auf dem Programm. In der vorangegangenen Mittagspause haben wir die gesammelten Stichpunkte noch einmal gesichtet. Daraus sind Vorschläge für Arbeitsgruppen entstanden, die mit gestärktem Magen im Plenum diskutiert werden. Am Ende stehen vier Gruppen: Die erste Arbeitsgruppe befasst sich mit der Recherche vorhandener Materialien zum Thema „Rechtsextremismus“ und deren Lizenzierung, die zweite Gruppe setzt sich mit den Kriterien an Lehr- und Lernmaterialien auseinander, das Thema in der dritten Arbeitsgruppe sind Erreichbarkeit und Auffindbarkeit freier Unterrichtsmaterialien, während sich die vierte Gruppe mit den Zielen des Materials und der Zielgruppe auseinandersetzt. Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen werden in Etherpads dokumentiert und anschließend noch einmal kurz im Plenum vorgestellt. „Ich bin frustriert“, war eine zentrale Aussage aus der ersten Arbeitsgruppe. Die Frustration bezieht sich auf die Suche vorhandener freier Materialien (mindestens cc-by-sa) zum Thema „Rechtsextremismus“, denn die scheint es kaum zu geben.

Die Diskussionen blieben beim ersten Workshop meist auf der Metaebene. Die praktische Arbeit begann erst in den Arbeitsgruppen. Für uns war das erste Treffen der Beginn eines Auseinandersetzungs- und Findungsprozesses, der uns viele neue Erkenntnisse liefern kann. Diesen Erwartungen wurde der Workshop gerecht. Aber auch das war nur ein Anfang. Denn nun gilt es, Initiative zu zeigen, sich einzubringen, konkret zu werden und zu fordern.

Wie geht es weiter?

Der Spuk des ersten analogen Treffens ist vorbei und die Frage ,Wie geht es jetzt weiter?‘ schwebt über Allem. Es ist auch die Frage, die wir uns stellen, wenn wir auf die gesammelten Stichworte auf den Moderationskarten blicken, in den Etherpads lesen und den Workshoptag noch einmal reflektieren.
Wir möchten die Arbeitsgruppen beibehalten und freuen uns über alle beim Workshop Anwesenden und Nicht-Anwesenden, die weiter fleißig ihre Erkenntnisse in die Etherpads eintragen, um den Prozess anzutreiben. Es steht ein weiteres leeres Etherpad mit dem Titel „Arbeitsgruppe 5“ zur Verfügung. Hier kann gerne eine weitere Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Wer die Initiative übernimmt, kann auch ihr Thema bestimmen. Gerne richten wir auch weitere Etherpads ein.

Am 2. Juli 2013 wird es dann ein weiteres analoges Treffen zum Thema „Rechtsextremismus“ geben. Wir hoffen auf die Beteiligung der Leute, die bereits beim ersten Workshop dabei waren, ihr Interesse bekundet haben oder jetzt erst über unser Vorhaben gestolpert sind. Eine Anmeldung ist per E-Mail möglich.

Bei Allen, die sich bereits beteiligen, möchten wir uns herzlich bedanken! Wir freuen uns über das Interesse und Engagement, auf das wir in diesem Prozess angewiesen sind.

Foto: Kooperative Berlin, cc-by-nc-nd

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