Nach erfolgreicher Vorstellung unserer zehn Thesen zur Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien auf der re:publica 2015 plant die KOOPERATIVE BERLIN kollaborativen Innovationsreport und öffentlichen Entwicklungsprozesse
Der Medienumbruch ist brutal. Zeitungen verschwinden, Netflix will das Fernsehen abschaffen, Facebook das Internet monopolisieren. Wie geht es in diesem Umfeld mit den öffentlich-rechtlichen Medien weiter? Ein Innovationsreport mit Konferenz, eBook und Bürgerkonsultationen soll öffentlich-rechtlichen Medien den Weg in eine Zukunft weisen, die längst begonnen hat.
„Der Journalismus ist tot – zumindest als Geschäftsmodell“ war der Ausgangspunkt des viel diskutierten Vortrags der KOOPERATIVE BERLIN zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien auf der re:publica. So unmissverständlich die Ausgangsthese war, so eindeutig war die Schlussfolgerung: Demokratie braucht Öffentlichkeit – und nur die öffentlich-rechtlichen Medien haben Größe, Infrastruktur und den Auftrag des Grundgesetzes, diese Leistung sicher zu stellen – nur nicht so, wie sie heute sind.
Aus diesen Gründen entwickelt die KOOPERATIVE BERLIN ab dem Herbst 2015 einen Innovationsreport und -prozess für die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland. Das Ziel: wirtschaftlich unabhängig von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aber in inhaltlicher Zusammenarbeit mit Intendanzen, Programmdirektionen und Innovationsabteilungen sowie mit Vertreter_innen der Wissenschaft, Medienpolitik und privater Medien, vor allem aber mit Gebührenzahler_innen, sollen Konzepte und Strategien für das „Digitale Paradies“ erarbeitet werden.
Die aktuellen Thesen zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien finden in der Anlage und auf örr2020.org. Fotos von Lydia Meyer und Markus Heidmeier finden Sie unter kooperative-berlin.de/team.
Vision2020: Thesen zur Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland
Im Rahmen des Vortrags „Vision2020: Öffentlich-rechtliche Medien als digitales Paradies“ werden Markus Heidmeier und Lydia Meyer von der KOOPERATIVE BERLIN im Mai 2015 auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin eine öffentliche Feldforschung starten.
Ziel dieses öffentlichen Diskurses ist die Erörterung der Chancen eines öffentlich-rechtlichen Systems in Zeiten eines dramatischen technologischen Umbruchs.
Ende 2015 sollen Thesen, Analysen und Handlungsempfehlungen in Form eines eBooks erscheinen. Neben den Intendanten aller öffentlich-rechtlicher Medien werden auch exponierte Persönlichkeiten aus Medien, Wissenschaft und Politik um ihre Visionen und die Einschätzung unserer Thesen gebeten.
Die unten aufgelisteten Thesen sind dabei nur ein erster Ausgangspunkt. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bilden aktuelle Diskurse ab, ohne dabei mit den Positionen der Autoren identisch sein zu müssen.
#Vision2020: Erste Thesen zur Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien in Zeiten der Digitalisierung:
1 Verfügbarkeit der Inhalte: Alle öffentlich-rechtlich produzierten Inhalte gibt es in einem digitalen und onlinebasierten sogenannten D-Player. Öffentlich-rechtliche Inhalte sind überall und zeitlich unbegrenzt verfügbar, Archive zudem öffentlich. Rechtliche Fragen wie Autor_innen- und Mitwirkendenverträge müssen gelöst werden.
2 Medienpolitik: Partizipation ist Realität, Dialog Alltag. Die Kontrollgremien werden öffentlich gewählt. Jede_r Wahlberechtigte kann Mitglied eines Kontrollgremiums werden. Gremiensitzungen werden live übertragen. Auch digitale Teilhabe an Gremienprozessen ist möglich. Es können Petition etc. gestellt werden.
3 Verantwortung für Innovation: Öffentlich-rechtliche Medien tragen gerade mit Blick auf den technologischen Fortschritt und ihre Sonderstellung im Medienwettbewerb eine besondere Verantwortung für die Weiterentwicklung der publizistischen Innovation. Diese publizistisch-technische Innovation wird Teil ihres staatsvertraglichen Auftrags. 25 % aller Programmmittel werden in inhaltliche und technische Innovationen investiert. Innovative Publikationstechnologien werden auch Dritten zur Verfügung gestellt.
4 Grundversorgung: Grundversorgung muss alle Menschen erreichen und ist plattformunabhängig. Aufgrund technischer Innovationen (Digitalisierung, Onlinekommunikation) einerseits und sinkender Marktzugangsschwellen für Dritte werden die linearen Angebote der Rundfunkanstalten für Radio und Fernsehen um ca. 50 % reduziert. 25 % der frei werdenden Mittel werden für Innovation durch Dritte zur Verfügung gestellt (s.o.). Weitere 25 % der Mittel setzen die Rundfunkanstalten für die Entwicklung und Distribution von Inhalten auf nicht linearen elektronischen Kanälen ein (s.o.).
Mittel aus diesem Innovationspool sind für alle zugänglich. Ein Board aus Vertretern der Rundfunkanstalten, Medienanstalten und der Kontrollgremien vergibt die Mittel vierteljährlich. Grundversorgung bedeutet aber auch, dass öffentlich-rechtliche Medien ihre Korrespondenznetze und Produktionsstrukturen für Dritte bereitstellen. Ein Board aus Vertretern der Rundfunkanstalten, Medienanstalten und der Kontrollgremien vergibt die Mittel vierteljährlich (s.o.).
5 Internes und externes Management: Die Personalschlüssel in allen Anstalten werden zum Stichtag 1.1. 2018 überprüft. Alle Stellenpläne sind per Staatsvertrag zu überarbeiten. Neue Arbeitnehmerverträge sind grundsätzlich befristet. Entfristete Verträge können wieder befristet werden. Verträge werden mit qualitativen und quantitativen Zielvereinbarungen gekoppelt. Externe Unternehmensberatungen monitoren regelmäßig die Arbeit einzelner Anstalten und Reporten den Gremien öffentlich (s.o.)
6 Distribution: Öffentlich-rechtliche Medien fordern und benötigen Netzneutralität! Sie sind aber auch kostenfrei für Nutzer_innen über Mobilfunknetze verfügbar. Hierzu handeln die Rundfunkanbieter Verbreitungsverträge mit deutschen Providern aus. Kostenfreiheit ist kein Widerspruch zur geforderten Netzneutralität.
7 Erfolgskriterien: Für Rundfunkanbieter, Programme und Sendungen werden fortlaufend Erfolgskriterien entwickelt. Diese Erfolgskriterien sind nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Art. Die Erfolgskriterien sind öffentlich. Sie werden fortlaufend evaluiert (siehe Medienforschung).
8 Bildungsauftrag: Öffentlich-rechtlichen Medien gehen ihrem Bildungsauftrag nach. Inhalte werden explizit in Kooperation mit Bildungsinstitutionen entwickelt. Neben der Entwicklung expliziter Inhalte und Verbreitungswege für Bildungsinstitutionen schaffen die Rundfunkanbieter eigene Bildungsangebote auf Basis eigener Inhalte (z.B. MOOCs etc.). Auch die Vermittlung von Medienkompetenz ist Teil des staatsvertraglichen Auftrags.
9 Medienforschung ist ein permanenter öffentlicher Prozess. Quantitativer Erfolg ist immer nur ein Teil des staatsvertraglichen Auftrags (siehe oben). Medienforschung hat immer das Ziel Nutzer_innen in den Mittelpunkt zustellen. Das heißt nicht, dass ausschließlich quantitativ erfolgreiche Sendungen weiterentwickelt werden.
10 Die Haushaltsabgabe ist einkommensabhängig.
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