Bis 1989 war das südthüringische Sparnberg ein eingemauertes Dorf. Den realen wie symbolischen Brückenschlag nach Westen haben die Sparnberger selbst gestaltet. Teil 1 der Einblicke in die Sommerreise.

Wie sich die deutsche Einheit anfühlt, das hat Helmut Glück vielleicht erst an einem Sommernachmittag 1992 verstanden. Der heute 79-Jährige ist damals Bürgermeister des Thüringer Dorfes Sparnberg: ein Dorf am äußersten Zipfel der ehemaligen DDR, direkt an der thüringisch-bayrischen Grenze. Nur die schmale Saale, die hier eher ein Bach ist, trennt den Ort von Bayern. Doch bis 1989 war Sparnberg umgeben von einer Mauer, Wachtürmen, Stacheldraht. Ein eingemauertes Dorf am Rande des Landes, die Bundesrepublik immer im Blick.

Sparnberg_1980s

An diesem Sommernachmittag 1992, drei Jahre nach Verschwinden der Mauer, stehen die Sparnberger am Ufer der Saale und setzen das um, was Helmut Glück „eine Wirtshausidee“ nennt: Sie bauen eine Brücke. Aus Latten, Bäumen, Nägeln. Zusammegeschustert, alle packen an. Die selbstgebaute Brücke soll die Saale überwinden, eine Verbindung schaffen zum Bayrischen Dorf Rudolphstein gegenüber. Aber sie soll vor allem zeigen: Nach Jahrzehnten, in denen wir als Dorf eingemauert waren, packen wir selber an. Einfach so. Ohne Genehmigung, nur mit der Euphorie der Dorfbewohner.

Auch die Bewohner auf der anderen Saaleseite werden nicht gefragt. „Und dann wurde mir bewusst: Wir müssen wenigstens die Grundstückseigner auf der anderen Seite fragen“, erinnert sich Helmut Glück. Aufgeregt watet Glück, der Bürgermeister, durch die Saale. „Ich hatte Angst, dass die uns Ärger machen, weil wir ohne Genehmigung hier einfach unsere Brücke bauen“.

Als er seine bayrische Nachbarin über den Plan informiert, schließt die ihn in den Arm: „Die war richtig froh darüber. Und ich ziemlich erleichtert“.

Der provisorische Brückenbau muss später dann doch wieder abgerissen werden, heute überspannt eine Holzbrücke die Saale und verbindet Sparnberg, das Dorf, das 40 Jahre eingeschlossen hinter Mauern und Zäunen war, wieder mit seinem bayrischen Nachbardorf.

Starnberg Über Brücken

 

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