Transmediale: Lass mal drüber reden
Die diesjährige Transmediale lädt zum „Conversation Piece“. Jetzt sprechen wir mal über alles. Worüber? Über die ganze Gegenwart, unsere Sprache für sie, unsere Ängste, den Spätkapitalismus und alles andere . Damit schließt das Festival für Kunst und digitale Kultur an die letzten Jahre an. Wenn ihr da was verpasst haben solltet: Kein Problem, es gibt glücklicherweise ein Archiv. Und wenn ihr fürs Wochenende noch nichts vor habt, gibt es die einmalige Gelegenheit
zu Avataren zu tanzen oder mal das Deep Web zu sehen und zu hören.
Im #netbeat_reloaded findet ihr wie immer die besten Links der Woche. Kuratiert von den Kooperateur_innen für euch: Das Beste aus Netzpolitik, Kultur, Medien, digitaler Bildung, Politik und Zeitgeschichte. Dieses Mal mit zwei Amerikanern, die sich der Deutschen liebsten Sonntagabendserie Tatort erklären; zur Diskussion, inwieweit deutsche Schüler auch Arabisch lernen sollten und wir schauen mal genauer hin, was @realDonaldTrump so tweetet. Außerdem gibt’s eine neue Rubrik auf unserem Blog: #indiskret – Die Kooperateure stellen sich einem Chatinterview! Geheime Leidenschaften und verborgene Talente sind zu entdecken. Den Anfang macht Tim und wir erfahren mehr von Stepptanz und Gedichten.
INHALT
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Transmediale: Conversation Piece? Alles Angst?
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Wohin nur mit dem ganzen Holz?
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Veranstaltungshinweis: Deep Web – voll Laser!
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Veranstaltungshinweis: Still be here
und sonst so
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#netbeat_reloaded: Was sonst diese Woche noch los war
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#indiskret: Die Kooperateur_innen stellen sich
Transmediale: Conversation Piece? Alles Angst?
von Tim Holland
Seit Mittwoch läuft die Transmediale. Dieses Jahr finden die Diskussionen, Workshops, Konzerte und Installationen des Festivals für Kunst und digitale Kultur unter dem Titel „Conversation Piece“ statt. Merkwürdig, laut Wikipedia, ist das eigentlich ein Genre der Malerei aus dem 18. Jahrhundert, das Picknicke, Salons und andere idealisierte bürgerliche Szenarien zum Thema hatte. Wenn man bei den Bildern genauer hinschaut, ist aber sichtbar: die Menschen sind ins Gespräch vertieft. Hier sind wir bei der Transmediale 2016.
Das „Conversation Piece“ soll wörtlich genommen werden. Sprechen wir also darüber, was uns bewegt, sprechen wir darüber, was uns Sorgen bereitet: die „Flüchtlingskise“, der „Krieg gegen den Terror“, „Big Data“ – komplexe Themen, die zu Worthülsen geworden sind. Sprechen wir also darüber, wie wir miteinander sprechen und tauschen wir uns mal über die allgegenwärtige „anxiety“ aus, die laut dem Statement der Kuratoren, nicht nur die Sorge und Unsicherheit, sondern auch den Drang zu Handeln in sich trägt, wobei „[d]ieser Zustand kann zu einer schnellen Eskalation, aber auch zu vollständiger Stagnation führen.“
Die diesjährige Transmediale steht nicht unter einem Motto, sondern bietet einen Gesprächsraum an, in dem dialogisch einzelne Stränge des spätkapitalistischen Systems aufgeflochten werden. Als Aufhänger dienen Schlagworte wie Anxious to Act, Anxious to Make, Anxious to Share, Anxious to Secure. Es geht um nicht weniger als die Gegenwart in ihrer Gänze, um eine diskursive, künstlerische und sinnliche Auseinandersetzung mit den ganz elementaren Fragen: wie können und wollen wir zusammenleben, jetzt und in Zukunft. Es ist ein wilder Ritt, auf den die Transmediale uns mitnimmt. Zum Glück gibt’s auch ein wenig Leichtigkeit: J-Pop und Laser. Wie soll’s auch anders gehen.
Wohin nur mit dem ganzen Holz?
von Bastian Tittor
1988 gab’s in Berlin noch eine Mauer. Und die erste Ausgabe der heutigen transmediale. Diese firmierte damals noch unter dem Namen VideoFilmFest und verfolgte die Intension eine Plattform für Produktionen elektronischer Medien zu schaffen, welchen eine Vorführung beim reinen Filmfestival Berlinale versagt blieb. Auf stolze 28 Jahre Festivalgeschichte kann also heute bereits zurückgeblickt werden – eine Menge Holz. Doch wohin damit? Natürlich ins festivaleigene Archiv.
Seit 2009 gehört zur transmediale eine ausführliche Online-Dokumentation, sehr zur Freude der fleißigen Digital-Archivare_innen. Ziel ist es jedoch auch, Inhalte aus den Veranstaltungen der vorhergehenden Jahre verfügbar zu machen. Möglich gemacht wurde dieses Vorhaben auch dank des von der EU-Kommission geförderten Projekts „Digitising Contemporary Art“, welches seit 2011 unterschiedlichsten Objekten zeitgenössischer Kunst aus insgesamt 12 europäischen Ländern zum Sprung in den digitalen Raum verhalf. Unter den insgesamt 26.921 digitalisierten Arbeiten befinden sich u.a. Werke von Orla Barry, Fiona Than oder Franz West. Das Hauptziel ist, die Kunst auf diese Weise einer größeren Publikum zugänglich zu machen, auch jenseits des seit jeher interessierten Expertenkosmos. Wir meinen: durchaus kein verkehrter Ansatz.
Deep Web – voll Laser!
von Merlin Münch
Ihr habt euch schon immer mal gefragt wie es sich wohl so von innen anfühlt, das Internet? Die audiovisuelle Installation „Deep Web” der beiden Sound- und Lichtkünstler Robert Henke und Cristopher Bauder entwirft eine Vision davon. Und die knallt: Mithilfe von 12 Lasersystemen und 175 motorisierten Kugeln haben die beiden das Netz einfach mal nachgebaut. Also so grob. Die Installation kann man täglich im Berliner Kraftwerk besuchen. Tickets gibt es auf der CTM-Homepage. Zum Closing am Sonntag um 19.00 Uhr gibt es außerdem eine Live-Performance der beiden.
Still be there
von Arjan Dhupia
Japan! Diese verrückte technophile Insel und wunderbare Projektionsfläche abendländischer Zukunftsträume! Da gibt es Sachen, die gibt’s gar nicht. Wie z.B. Hatsune Miku, ein sechzehnjähriger J-Pop Superstar, der Stadien mit zehntausenden Fans füllt, bereits über 100.000 Songs veröffentlicht hat und nebenbei für Google und Toyota wirbt. Dabei gibt es Hatsune Miku im strengeren Sinne nicht real. Miku ist ein 3D-Hologramm, ihre Stimme basiert auf einem komplexen Software-Synthesizer. Auf ihren Musikkonzerten mischen sich dann Virtualität und Realität – Miku hat natürlich eine Live-Band auf der Bühne – zu einer (für westliche Betrachter) einigermaßen skurrilen Performance. Da feiern Tausende ausgelassen die Projektion eines sechzehnjährigen 3D-Avatars. Der Avatar mag zwar nur Avatar sein, die gute Stimmung der Fans ist dafür echt.
Gesellschaftliche Sehnsüchte, Populärmusik, Virtualisierung und der weibliche Körper – da ist doch Einiges drin für Künstler. Dachten sich auch Laurel Halo und ein paar Kolleg_innen, und nun gibt es auf der Transmediale eine „einzigartige kollaborative Performance“ mit Hatsune Miku. Das kurbelt die eigene Fantasie an, nicht zuletzt weil Laurel Halos experimentelle Kompositionen zwischen Electronica und Techno so ziemlich das Gegenteil von Hatsune Mikus zuckersüßem J-Pop sind. Zu sehen ist das Ganze im Haus der Kulturen der Welt, Freitag und Samstag um 21:30 Uhr.
#netbeat_reloaded: Was sonst diese Woche noch los war
Wir schauen genau hin @realDonaldTrump
Ergänzung zu unserem letzten #netbeat : Darin schrieb Bastian Tittor über den Stimmenfang im US-Wahlkampf via Twitter. Donald Trump fällt dort derzeit besonders auf, weil er auf dem Kanal nicht nur gewohnt scharf gegen seine politischen Gegner schießt, sondern auch gleichzeitig Retweets von Freunden raushaut, die manch anderer nicht als Freunde haben will. So geschehen beim Account @whiteGenocideTM (sic). Mehr dazu hier. Jetzt hat das Nachrichtenportal Fusion einen Bot an den Start gebracht, der die Twitter-Bio von Accounts postet, die Trump retweetet hat. Durchaus interessant, wer sich da tummelt. TH
Und noch mal: @realDonaldTrump. Dieses Mal: der Verschwörungstheoretiker
Trump ist unschlagbar! Trump ist ein schlechter Verlierer! @realDonaldTrump ist auf Twitter der Meinung, „Ted Cruz didn’t win Iowa, he illegally stole it…“ TH
„All the men on this show have beards to hide their sadness.“
Zwei Amerikaner haben den Tatort vom letzten Sonntag mit den grimmigen Dortmundern geschaut und erklärten sich, was auf dem Schirm passierte – ohne Deutsch zu verstehen. Sie nennen den Kommissar „Tatort“, seine Assistentin „Hot-Tatort“ und so gehts weiter. Vielleicht sollte man in Zukunft öfter auf den fremden Blick setzen, um zu verstehen, was da eigentlich los ist. Denn die Schlüsse, die sie ziehen, sind bemerkenswert hellsichtig.
Eine Auswahl:
„There is a lot of talking in cars. This show should be called ‚Serious Conversations in Cars.‘“
„Ahhhhh, Tatort is finally happy again because he’s enjoying some burgers and fries. It’s the only thing that brings him joy, other than the pills and the booze.“
„Have they still not solved this fucking mystery?“
„The real mystery is their relationship. Maybe that’s the problem.“
Arabisch als verpflichtendes Fach für deutsche Schüler?
Nicht nur Flüchtlingskinder sollen Deutsch lernen, sondern auch Deutsche Schüler_innen Arabisch. Diese Forderung des Präsidenten einer Hamburger Privat-Uni machte in den Medien die Runde. Das klingt auf den ersten Blick befremdlich, doch ich muss an die Frage unseres kanadischen Kollegen vor ein paar Tagen denken, ob in Deutschland auch Türkisch Amtssprache sei? Dazu zwei Zahlen:
In Deutschland bilden die Türken die größte in Deutschland lebende Ausländergruppe mit 1,5 Mio Personen. Das sind mehr Menschen als in der Stadt München insgesamt leben.
Und Araber? Allein in den Monaten Januar bis November 2015 wurden 140.000 Flüchtlinge aus Syrien in Deutschland registriert. Diese Anzahl Menschen könnte zwei Mal das Münchner Olympiastadion komplett füllen. JD
In der neuen Rubrik #indiskret befragen wir die Kooperateur_innen, nach ihrem Alltag in der Kooperative Berlin, nach geheimen Leidenschaften und versteckten Talenten.
Den Anfang macht Tim. Er ist seit Anfang Januar bei der Kooperative Berlin. Wir haben mal #indiskret nachgefragt, wie das so ist als Schwabe in Berlin, was man als Absolvent des Studiengangs „Literarisches Schreiben“ bei der Kooperative Berlin machen kann und was es mit Gedichten und Karten auf sich hat.
…
und hier geht’s weiter.
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