#netbeat 12/16: Selfiexploratory, #AufDieLiebe und das digitale Leben nach dem Tod

Selfiexploratory, #AufDieLiebe und das digitale Leben nach dem Tod

Immer ich! Derzeit ist ziemlich viel los bei mir. Und meinen digitalen Bildern. Zum Glück gibt’s jetzt Selfiexploraty. Da sagt mir jetzt mal jemand, wie sich meine Selfies zu denen von anderen verhalten und überhaupt: ist es nicht total lustig, wie mein Gesicht im Gesicht eines anderen aussieht? Wie es dahingegen um künstlerische Selbstporträts in Zeiten des Selfies steht, das zeigen gerade zwei Ausstellungen. Und ein Video einer schwedischen Künstlerin macht sich für die stark, die sich gegen imagebildende Fotografie wehren – Titel: „Selfie Stick Arobic“. Apropos Armverlängerung, mittlerweile gibt es eine Seite, die verzeichnet, wo ich mit dem Ding noch hin darf: pssst… Canibringmyselfiestick?. Das ist auch notwendig, weil einem mancherorts bei dem ganzen Herumgefuchtel bereits Schutzbrillen zu empfehlen sind. Insgesamt ist die Gefahr, die von Selfiesticks und den Situationen, in die man sich mit ihnen begibt, nicht zu unterschätzen. Das befand nun auch das russische Innenministerium und hat Warnhinweise herausgegeben.

Im #netbeat reloaded findet ihr wie immer die besten Links der Woche. Kuratiert von den Kooperateur_innen für euch: das Beste aus Netzpolitik, Kultur, Medien, digitaler Bildung, Politik und Zeitgeschichte. Zum Beispiel: Was passiert eigentlich mit unseren Facebookaccounts nach dem Tod? Das digitale Leben nach dem Tod kann man jetzt planen. Totgeglaubt, aber lebendiger denn je: mittelalterliche Malerei neu interpretiert. Angesichts der aktuellen Gewalt ist die Sprachlosigkeit überwinden. Eine Möglichkeit: einen trinken – #AufDieLiebe

 

INHALT

Je jünger der Fotograf, desto höher wird der Apparat gehalten

ICH und Cindy Sherman – zum künstlerischen Selbstporträt in Zeiten des Selfies

Selfie Stick Aerobic

Maskerade und Gesichtstausch

Mehr Gefahr bedeutet mehr Klicks

Canibringmyselfiestick?

und sonst so:

#netbeat_reloaded: Was sonst diese Woche noch los war

Screenshot von Selfiecity.com

Screenshot von Selfiecity.com

Je jünger der Fotograf, desto höher wird der Apparat gehalten

von Sophia Koistinen

Je älter der Selfieshooter, desto mehr pendelt das Fotowerkzeug  auf Augenhöhe. Die amerikanische Seite Selfiecity hat zu diesem Thema eine Studie zusammengestellt, die erstmals Aufschluss über das Phänomen „Selfie“ gibt. Für die Auswertungen wurden tausende Bilder aus den Metropolen New York, Sao Paolo, Berlin, Bangkok und Moskau verwendet. Das Selfieexploratory-Tool gibt die Möglichkeit anhand von Merkmalen wie geschlossener und geöffneter Mund, Brillenträger, Alter und Geschlecht die Fotos auf Gemeinsamkeiten zu untersuchen und Korrelationen zu visualisieren. Auf der Seite stehen auch theoretische Essays zum Wandel des Selbstporträts in der Geschichte der Fotografie, zu den Funktionen von Selfies in sozialen Netzwerken und vieles mehr.

 

gemeinfrei

gemeinfrei

Ausstellung: ICH und Cindy Sherman – zum künstlerischen Selbstporträt in Zeiten des Selfies

von Tim Holland

„Das tradi­tio­nelle Selbst­por­trät ist heute Geschichte. Früher malte sich nur der Künst­ler vor dem Spie­gel. Im Face­book-Zeit­al­ter ist die Selbst­dar­stel­lung zum Tool für jeder­mann gewor­den. Wir leben in radi­kal egozen­tri­schen Zeiten. Unsere Gesich­ter wandern Tag für Tag in ein gigan­ti­sches digi­ta­les Bild­ar­chiv. Was haben die Künst­ler dem entge­gen­zu­set­zen?“(Infotext Schirn) Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt zeigt noch bis zum 29.Mai die Themenausstellung ICH. Wer bin ich? Wer könnte ich sein? Bei der amerikanischen Fotografin Cindy Sherman ist das Selfie seit 40 Jahren Kunst. 65 Werke der berühmten Selbstbildnerin sind in der Ausstellung der Stiftung Olbricht bis August zu sehen.

Maskerade und Gesichtstausch

von Tim Holland

Einmal ein anderer sein. Das Bedürfnis scheint altbekannt. Die Umsetzung ist bisher dürftig. Auf dem Foto ist durch Montage zumindest Körpertausch möglich. Ganz analog ausschneiden und  zusammenkleben. Digital war bisher dafür Photoshop notwendig. Heute tun’s ein paar Apps wie MSQRD und Faceswap und liefern Gesichtstausch in Echtzeit. Ob der Talkshowmoderator Jimmy Kimmel aus der USA oder Joko und Klaas von Pro7: alle scheinen im Fieber zu sein und wollen ihr in den letzten Jahren ausgespiegeltes digitale Ich nun modifizieren. Mal der böse Bub sein. Aber nur zum Spaß.

 

Kampagne des russischen Innenministeriums

Kampagne des russischen Innenministeriums

Mehr Gefahr bedeutet mehr Klicks

von Sophia Koistinen

Mehr Gefahr bedeutet mehr Klicks, mehr Likes, mehr Fame. Um ein bestimmtes Ansehen bei anderen herzustellen wird man immer waghalsiger. Seit 2014 sind 49 Leute bei dem Versuch spektakuläre Selfies zu machen gestorben. Wie kommt das zustande? Priceonomics veröffentlichte Ende letzten Monats Statistiken zu den Todesursachen und demographischen Daten der Opfer: 75% von ihnen sind männlich, im Durchschnitt sind sie 21 Jahre jung. Hauptgründe waren Stürze oder Ertrinken, dicht gefolgt von Unfällen an Gleisen oder in Zügen. In Russland greift nun der Staat ein, um weitere Unfälle zu vermeiden. Mit einer Aufklärungskampagne sollen Jugendliche Risiken schneller erkennen.

 

Selfie Stick Aerobic – Oversharing oder ein Akt der Emanzipation?

von Sophia Koistinen

Wer Hilfe braucht, dem sozialen Druck zur imagefördernden Selbstdarstellung zu entsagen, sollte unbedingt das ironische Werk Selfie Stick Aerobics der schwedischen Künstlerin Arvida Byström ansehen. Sie kämpft in ihren Werken für die Menschen, die sich nicht in den medialen Bildern wiederfinden und versucht durch Gegendarstellung das Netz zurückzugewinnen.

 

 

Canibringmyselfiestick?

Sophia Koistinen

Touristen stechen sich allerorten mit den Selfie-Sticks die Augen aus. Doch die Liste der Orte, wo die Teleskopstangen unerwünscht sind, wächst. An vielen bekannten Sehenswürdigkeiten wurden die Sticks bereits verboten und mehr und mehr Betreiber von Museen, Vergnügungsparks und sportlichen Großveranstaltungen halten die Sticks für ein Sicherheitsrisiko. Ein Naturpark in Colorado sperrte seine Besucher aus, weil sie zu gefährliche Selfies mit Bären machten. Canibringmyselfiestick löst jetzt das neu aufgetretene Problem der Stickliebhaber und gibt Auskunft, ob am Urlaubsort die Armverlängerung erlaubt ist.

 

#netbeat_reloaded: Was sonst diese Woche noch los war

Screenshot Facebook

Screenshot Facebook

Digitales Leben nach dem Tod. Unter dem morbiden Titel „Everybody Dies -What Is Your Digital Legacy?“ wurde letzte Woche bei dem weltgrößten Digitalfestival eine Podiumsdiskussion zum Thema Tod und Online-Präsenz gehalten. Seit vergangenem Jahr haben Facebook-Nutzer die Möglichkeit, einen Nachlass-Kontakt zu bestimmen, der im Todesfall Zugriff auf das Profil bekommt.  SK

 

Screenshot Tumblr

Screenshot Tumblr

Zweiter Frühling für alte Kunst. Auf Facebook und Twitter interpretiert Medieval Reactions mittelalterliche Kunst und kanonische Werke. Erfrischend. TH

Screeshot Facebook

Screeshot Facebook

#JeSuisCharlie, #JeSuisParis, #JeSuisBrussels – in den sozialen Netzwerken entsteht nach den Terroranschlägen immer wieder aufs neue eine Welle an Anteilnahme und Solidarität. Frauke Petry ist das bereits zu viel. Eine Social-Media-Redakteurin vom Spiegel fügte nun mit #AufDieLiebe dem viralen Trauerstrudel ein neues Hashtag hinzu. Ab jetzt muss man einen heben. Jedenfalls besser als der auch mit viel Hass aufwartende Kommentarraum #StopIslam. TH

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