Die re:publica 2017 – 9.000 Teilnehmer_innen aus 71 Ländern, 20 Bühnen, 1030 Sprecher_innen und viel #LoveOutLoud. Auch die KOOPERATIVE war mit einigen Kolleginnen und Kollegen vor Ort – als Besucher_innen wie auch als Speaker. Zeit für eine Rückschau: wir berichten, empfehlen, resümieren – und amüsieren uns.
Mit Schnaps gegen Hass
re:publica 2017: zwischen Bällebad, Hate-Bingo und ’ner Menge Digitalbegeisterten.
„Anzeigen hieße, sich damit beschäftigen und ich will mich nicht damit beschäftigen“, sagt Tarik Tesfu zu seinem Umgang mit Hasskommentaren. Gemeinsam mit Juna Grossmann und den beiden Kooperateur_innen Lydia Meyer und Patrick Stegemann hat er auf der re:publica „Hate Bingo“ gespielt. Die Idee: die Protagonist_innen lesen Hasskommentare aus ihren Formaten vor, diskutieren mögliche Reaktionen mit dem Publikum und spielen nebenbei Bingo. Fällt ein Hassbegriff (etwa „Lügenpresse“, „Löscht euch“ etc.), können die Mitspieler_innen ihn auf ihrer Bingokarte abstreichen. Und für einen Bingo gibt’s Schnaps. Zwischen Diskussion mit dem Publikum und Schnaps erfolgt der Realitätsabgleich: Wie wurde tatsächlich auf die vorgestellten Hasskommentare reagiert?
Der Umgang der Vieren mit dem Hass unterscheidet sich tatsächlich maßgeblich: Tarik Tesfu ignoriert fast alle Kommentare auf seinem Kanal „Tariks Genderkrise“. Lydia Meyer, Redakteurin von Auf Klo, setzt auf eine intensive Betreuung und Moderation in den Kommentarspalten. „Wir haben auch schon Kommentare angezeigt, aber bislang ist da nie was draus geworden“, sagt sie. Patrick, der die Runde moderiert hat, merkt an: „Wir wissen auch nicht immer, wie wir auf den Hass reagieren sollen, aber eines hilft uns fast immer: Humor“.
Das Konzept des Hate-Bingos kommt beim Publikum der re:publica gut an: Etwa 80 Mitspieler_innen haben sich eingefunden und diskutieren mit den vier Formatmacher_innen über Wege des Umgangs mit Hass in ihren Kommentarspalten – FAZ und Tagesspiegel berichten.
#rp17 Selfie nach dem Bingo mit @sprachskepsis20 @genderkrise @IrgendwieJuna pic.twitter.com/sb2sDve7bP
— Patrick Stegemann (@petterich) 9. Mai 2017
Der heiße Scheiß:
Bildung
Demokratie und Mitbestimmung üben in der Schule – das geht mit aula. Ein tolles Digitalprojekt, bei dem Schüler_innen in Entscheidungsprozesse in ihrem Schulalltag eingebunden werden. Nach dem Prinzip der Liquid Democracy können sie eigene Ideen innerhalb eines festgelegten Vertragsrahmens einbringen, Verbesserungsvorschläge machen und abstimmen – beispielsweise über das Schulessen, die Aufnahme von Geflüchteten in der Turnhalle oder die Gestaltung der Klassenräume. Unser Interview mit Projektleiterin Marina Weisband gibt’s bald auf werkstatt.bpb.de.
Der Chaos Computer Club hat im Rahmen seines Bildungsprojektes Chaos Macht Schule fünf Thesen für eine zeitgemäße digitale Bildung veröffentlicht. Denn: Immer wieder müssen die Speaker feststellen, wie wenig Medienkompetenz in dieser Hinsicht eigentlich in den Schulen vorhanden ist – #PasswortlisteninderSchuleaushängengehteinfachnicht. Die Forderungen sind folgendermaßen zusammengefasst:
- Digitale Mündigkeit der Schüler_innen als Kernziel
- Fächerübergreifende Betrachtung der Themen der digitalen Lebenswelt
- Stärkung der Lehrkräfte, nicht nur durch technische Ausstattung
- Vorbildfunktion der Lehrenden im Umgang mit digitalen Medien
- Einbindung von Expert_innen zur kurzfristigen Umsetzung
Politik
Hochspannend: der einstündige Vortrag von Elisabeth Wehling, Neuroforscherin und Linguistin, über politisches Framing. Ein aktuelles Beispiel aus dem deutschsprachigen Diskurs: die Wassermetaphorik zur Bezeichnung der Fluchtbewegungen nach Europa. Welche Reaktionslogik folgt einem Strom, einer Flut? Sandsäcke stapeln, Dämme bauen. Abwehr!
Wehling wies auch auf die Frame-Negierung hin. Beispiel hier: „Fake News“, ein von Trump und seinem Team geschaffener Ausdruck, um die Arbeit der Medien zu diskreditieren. Die wiederholte Nutzung des Ausdrucks führe zu einer Verankerung des Frame in den Köpfen der Leute. Die Medien, die gegen den Inhalt des Ausdrucks argumentierten, propagierten also ein Begreifen von sich als „Fake News“. Ein eindringliches Plädoyer für den bewussten Umgang mit Sprache – auch für Medientreibende.
„Solidarität ist so wie Wichteln, nur dass alle Geschenke geil sind. Solidarität ist kein Schrottwichteln“ – wegen solcher Sätze lieben wir Margarete Stokowski, die die re:publica gemeinsam mit Eva von Redecker dazu auffordert, anonyme Liebe zu organisieren. Seid solidarisch!
Netz
Luca Hammer kann Hässliches ganz wunderschön aussehen lassen. Er hat Trollgruppen auf Twitter analysiert, gemappt und daraus wundervolle Datenvisualisierungen gemacht. Siff bzw. Troll- bzw. Hasstwitter wird so endlich zumindest ein kleines bisschen schön. Und das Beste: unsere Auf-Klo-Trolle sind auch dabei.
Kurioses
– rbb-Intendantin Patricia Schlesinger spricht im #rbbtalklab über den Sender und seine Aufgaben im Kontext von Digitalisierung und immer weiter wachsender Bedeutung des Netzes. Der rbb müsse dort sein „wo junge Leute sind. Das fällt uns nicht immer leicht – das weiß auch jeder – aber wir müssen das.“ Wir – das schließt Frau Schlesinger offenbar nicht ein: der Versuch, ihr Profil in einem Tweet zu verlinken, schlug fehl. Denn: sie hat keins.
– Mercedes-Benz zieht in Sachen Carsharing nach. Eines der Werbemittel: ein hipper Turnbeutel, bedruckt mit dem Slogan: „Besitz ist soooo 90ies“. Ein neues Zeitalter im Hause Mercedes also: weg von Eigentum, Prestige und Felgenpolitur.
– Gemüse-Fritten für ‘nen Fünfer – bitte WAS?
re:publica – war schön mit dir! Bis nächstes Jahr.
Tags: Hate-Bingo, re:publica 17
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