Unser #netbeat. Ein kurzer Wochenrückblick der KOOPERATIVE BERLIN über Trends und Facts aus Netzpolitik, Medien, digitaler Bildung, Politik und Zeitgeschichte. Kuratiert von uns für euch. Diese Woche werfen wir einen Blick auf den Fidget Spinner Trend. Dahinter verbergen sich nämlich spannende Geschichten einer vernetzen Wirtschaftswelt.

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Fidget Spinner. Digitaler als gedacht!

Es tut mir leid, aber ich komme nicht drumherum. Alles dreht sich um den Fidget Spinner. In Amazons Rangliste der 100 beliebtesten Spielzeuge rangieren immer noch eine Menge dieser Kreisel. Die erste Aufregung scheint aber verflogen zu sein. Ein Vater musste in der U-Bahn neulich sogar seinen Sohn dazu ermutigen mir seinen Fidget Spinner vorzuführen. Wahrscheinlich um mir zu beweisen, dass er ein Modell aus fair gehandelten Rohstoffen gekauft hatte. Ich hingegen saß den Beiden mit der Weichplastikvariante vom Späti gegenüber. Nicht ganz so nachhaltig, aber noch eindrucksvoller sind die Varianten mit Bluetooth Lautsprecher oder das Modell 8 MINUTEN DEUTSCHES KUGELLAGER. Der Name weckt zwar nationalistische Assoziationen. Das in China produzierte Spielzeug kommt aber im Gegenteil ganz in Regenbogenoptik daher.

Jenseits von aller Sommerlochrhetorik sind die Fidget Spinner aber aus gesellschaftsanalytischer Sicht nicht uninteressant. So setzt ein Produzent aus Rheinland-Pfalz zum Beispiel auf 3D Drucker, um schneller als die chinesischen Konkurrenten auf Marktbewegungen reagieren zu können. Im Gespräch mit Gründerszene.de weist der Hersteller dabei extra darauf hin, dass seine Fidget Spinner aus Maisstärke und damit auf biologischer Basis und ungiftig hergestellt werden. Ein Unterschied der gerade bei deutschen Eltern besonders gut ankäme.

Auf Amazon Deutschland liefert der Suchbegriff „Fidget Spinner“ derzeit über 12.000 Suchergebnisse. Ohne 3D Drucker und vollautomatische Fräsen wäre diese Zahl an Modellen und Varianten innerhalb weniger Monate gar nicht möglich gewesen. Um die dafür notwendigen Prototypen und Gussformen zu fertigen, sind virtuelle Baupläne notwendig. Diese 3D Modelle lassen sich über Plattformen wie Thingiverse und Sketchfab teilen und modifizieren. Die Übergänge von Massenproduktion und DIY-Bastelkeller sind fließend.

Einem handgedrechselten Fidget Spinner aus lokalen Hölzern oder 3D gedruckten Sonderanfertigungen steht so eigentlich nichts mehr im Weg. Wer aber erst jetzt anfängt, der kommt eh schon zu spät. Mit dem diese Woche von Warner Music veröffentlichen Song Spin It (The Fidget Song) ist es der Hype wohl nicht nur überstanden, sondern hoffentlich auch begraben.

Zeit die Reste zusammenzukehren. Zwischen denen verbergen sich nämlich spannende Geschichten einer global vernetzen Wirtschaftswelt.

Kommentiert von Freerk Sitter.

Versand ohne Zwischenhändler

Trend Spielzeuge wurden früher vor allem über den größten „Einzelhändler“ der Welt – Alibaba – importiert und dann lokal weiterverkauft. Die meisten Fidget Spinner kamen ohne diese Zwischenhändler auf den europäischen Markt. Ein Grund dafür ist das „Fullfilment by Amazon“-Programm. Darüber können chinesischen Produzenten und Händler ihre Produkte direkt an Amazons Logistikzentren schicken. Dort werden sie dann eingelagert, verpackt und verschickt. Dass die Hersteller durch die Verpackung von Amazon im Verkaufsprozess selber nicht mehr als Marke auftreten, ist ihnen dabei sogar ganz recht. Sie profitieren von der Infrastruktur von Amazon und können noch schneller auf Trends reagieren.

Was auf den ersten Blick vielleicht wie eine finanzielle Kommunikationsdienstleistung wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung vor allem als Machtfrage. Mit dem Ausschalten der Mittelsmänner übernimmt Amazon einen Markt, den es in dieser Form selber geschaffen hat.

Zum Artikel: Made in China — and straight to your Amazon box (USA TODAY)

Die Geheimwaffe der Opposition

Fidget Spinner taugen ebenfalls als Propaganda Lehrstück. Im russischen Fernsehen ließ man nämlich verlauten: Die englischen Aufschriften auf den Verpackungen seien eindeutiger Hinweis dafür, dass die Opposition mit Hilfe fremder Mächte versucht eine ganze Generation in Zombies zu verwandeln!
Denn wie sollten sonst die vor allem jungen Demonstrant_innen zu erklären sein, die in den vergangenen Monaten in Russland auf die Straße gegangen sind?

Deutlich patriotischer wäre da natürlich ein Fidget Spinner von Kaviar Phones aus purem Gold. Der kostet umgerechnet auch nur knapp 14.000 Euro.

Zum Artikel: That Devious Plot to ‘Zombify’ Russia (The New York Times)

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