Bild: Screenshot http://histocamp.hypotheses.org CC BY 4.0 remixed by Kooperative Berlin

Bild: Screenshot http://histocamp.hypotheses.org CC BY 4.0 remixed by Kooperative Berlin

An einem Ort, wo die Klos mit Rheinwasser gespült werden, fand am 4. und 5. November das Histocamp 2016 statt. Die Kooperative Berlin war vor Ort im Mainzer Rathaus und twitterte unter @MiriamMenzel und @werkstatt_bpb eifrig mit (die Twitterwall zur Veranstaltung findet Ihr hier). Hier ein paar kurze Schlaglichter vom „ersten BarCamp für Alle, die an und mit Geschichte arbeiten“. Von Miriam Menzel

Bar…WAS?
Wie ein BarCamp genau funktioniert, erklären die Histocamp-Veranstalter_innen vom Verein Open History e.V. hier. Allen BarCamps gemein ist, dass die Inhalte spontan vor Ort von den Teilnehmenden mitbestimmt und gestaltet werden. Ausgefeilte Vorträge sind bei einem BarCamp fehl am Platz, im Vordergrund stehen Erfahrungs- und Wissensaustausch auf Augenhöhe sowie Networking, Networking und Networking. Die Veranstalter_innen des Histocamp haben sich darüber hinaus zum Ziel gesetzt: „Wir wollen mehr Menschen ermöglichen, sich an historischen Projekten zu beteiligen“.

Im „War Room“
Erster Spaß beim Histocamp: Teile der Veranstaltung fanden im Ratssaal statt – einem runden Raum mit vielen Knöpfen und Mikros, der bei den Teilnehmenden Assoziationen an „War Room“ und „United Nations“ aufkommen ließ. Mir schien ein Platz weit vorn mit dickem Sessel und der Nr. 7 angemessen. Den Drang, mir ein „Kofi Annan“-Schild zu basteln, konnte ich zwei Tage lang unterdrücken; stattdessen war ich damit beschäftigt unter den etwa 170 „Teilnehmenden“ (korrekter wäre „Teilgebenden“, da alle Anwesenden hochaktiv waren) neue und alte Twitterbekanntschaften ausfindig zu machen.

Über 30 Workshopsessions und Themen wurden in zwei Tagen Histocamp von den Teilgebenden angeboten, besucht, analog und digital diskutiert. Dazu kamen kurze 5-minütige Inputs (Lightning Talks), ein „ironischer Büchertisch“, auf dem man (nicht nur) ungeliebte Publikationen los werden konnte sowie eine Abendveranstaltung im relativ jungen Museum für Antike Schiffahrt (das sich selbst tatsächlich nur 2 „f“ gönnt). Dort entdeckte ich – neben inklusiven Taststationen – auch den mir bis dato unbekannten Job des „Strigillarius“:

-> Das ganze Programm findet Ihr hier.

Erst kommt das Produkt und dann die Zielgruppe!?
Gleich zu Beginn des Histocamps bot ich selbst eine Session zu #Zielgruppen an – ein Thema, das in vielen geschichtsbezogenen Projekten oft am Ende kommt oder gar keine Berücksichtigung findet. Im Gepäck hatte ich drei steile Thesen, eine Methode, Blitzumfragen und natürlich einige Erfahrungen aus meiner eigenen Arbeit. Von den anderen Teilgebenden wollte ich wissen, mit wie vielen Zielgruppen sie es in ihrer Arbeit zu tun haben und wie viel Prozent ihrer Arbeit die Zielgruppenanalyse ausmacht. Einhellige und ehrliche Antwort: „um die 0 Prozent“. Dabei hatten alle relativ klare Vorstellungen von ihren Zielgruppen! Als Anregung hatte ich ein Handout zur Erstellung von „Persona“ mitgebracht, mit dem wir bei der Kooperative Berlin arbeiten. Mit diesem Handout kann ein_e typische Vertreter_in der Zielgruppe möglichst genau beschrieben werden – vom Aussehen bis hin zum Mediennutzungsverhalten. Die Angaben sollten mit Studien (z.B. JiM-Studie, SINUS-Jugendstudie o.ä.) und eigenen Vorkenntnissen abgeglichen und konkretisiert werden. Anregung einer Teilnehmerin: Sie arbeitet für kleine und mittelständische Unternehmen und schneidet Abbildungen prototypischer Vertreter_innen aus branchennahen Zeitschriften aus um ein besseres Bild ihrer Zielgruppe zu gewinnen bzw. mit eigenen Erfahrungen abzugleichen.

-> Hier findet Ihr das Storify zur Session #Zielgruppe.

Endlich wieder Bock aufs Schreiben!
Im Anschluss an die eigene Session nahm ich an einem „Schreibsprudel-Seminar“ teil, das mir zum einen wieder viel Lust aufs Schreiben machte, zum anderen aber auch dazu anregte, den eigenen Schreibprozess – von der Ideenfindung bis zum fertigen Produkt – noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Kam mir auch in den Sinn: Wie gut passt mein Schreibprozess eigentlich zu dem meiner Kolleg_innen und wie sehr verhindert oder fördert das kollaboratives Arbeiten?

-> Hier findet Ihr das Storify zur Session #Schreibsprudel.

Geschichtsunterricht 2030: Frontalunterricht 4eva?
In der Session zum Geschichtsunterricht 2030 gaben gleich drei Bildungsexpertinnen und -experten kurze Einschätzungen zur Lage und Zukunft von Lehrerausbildung, digitaler Ausstattung und neuen Lernkonzepten ab: Lehrer Daniel Bernsen sowie Geschichtsdidaktiker Christian Bunnenberg und Geschichtsdidaktikerin Anja Neubert. Dabei überwog die Kritik an langsamen Innovationsprozessen und mangelndem Austausch zwischen Schule, Universität und Bildungspolitik. Auf seine bisherige Schullaufbahn blickte Bernsen zurück mit den Worten: „30 Jahre Frontalunterricht mit steigender Zahl technischer Gimmicks“. Ein Lehrer aus dem Publikum bestätigte: „Die Diskrepanz zwischen sozialem Umfeld/Lebenswelt der Schüler_innen und dem Lernsetting an Schulen wird immer größer.“ Die Sessiongeber_innen zeigten jedoch auch, dass sie viele Ideen für die Weiterentwicklung des Geschichtsunterrichts haben:

Geschichte digital
Vorgestellt und diskutiert wurden auf dem Histocamp auch das Manifest für geschichtswissenschaftliches Arbeiten mit Digitalen Spielen“  und das kostenlose „Histo-Tool“ autoChirp, mit dem Twitter-Nachrichten sekundengenau vorgeplant versendet werden können. Mit dieser Software wurde z.B. das „Reentweetment“-Projekt „Heute vor 70 Jahren“ von @NRW-History umgesetzt. Unbedingt anschauen!

Eine Unkonferenz, die zur Gegenrede anstiftet
Viel Lob und Aufmerksamkeit bekam das auf dem Histocamp vorgestellte Projekt Geschichtscheck: Ein Projekt zur Unterstützung von Gegenrede im Internet, das von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert und von den Veranstalterinnen des Histocamps – dem Open History e.V. – umgesetzt wird. Die online frei verfügbaren Materialien des Projekts konnten von den Histocamp-Teilgebenden (die sich zuvor auch in der Session #engagedHistory über Geschichte fernab des Elfenbeinturms unterhalten hatten) gleich eingesetzt werden, da sich Rechtspopulisten mit falschen Behauptungen und #Hatespeech massiv unter die Tweets zum Histocamp mischten, wie Daniel Bernsen hier näher beschreibt.

Übrigens: Der Open History e.V. bietet im Projekt Geschichtscheck auch Webinare für Multiplikator_innen sowie Workshops an Schulen und außerschulischen Lernorten an! Interessierte Lehrende sollten sich schnellstmöglich hier melden: info@geschichtscheck.de

Ach ja, #lasthistoleak: Das Histocamp braucht übrigens keine Frauenquote.

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1 Kommentar

  1. Pingback: Nachlese 2016 – histocamp


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